»If you’re looking for hope, you’re scraping at the bottom of the barrel.« (Wenn du nach Hoffnung suchst, so kratzt du am Boden des Fasses) – sagte mir Marc Ribot, einer der drei Musiker die in REDEMPTION BLUES den Ton angeben.
 

Wonach suchte ich auf dieser vieljährigen Reise durch die zerklüftete Landschaft 75 Jahre nach der Schoah? Nach Hoffnung? Nach Erlösung von der Last die seit damals über der Menschheit hängt, und die sich bis heute nicht verflüchtigt hat?
 

Der Film spielt in einer Übergangszeit, in der sich die Generation der Zeugen unwiderruflich von ihren Nachkommen verabschiedet. Eine Gruppe von Menschen, der Leben mehr oder weniger von den Erfahrungen ihrer damaligen Jugend geprägt sind, lassen sich von einem ihrer Söhne zu einem Rollenspiel verführen. Sie spielen an der Schnittstelle zwischen andauernder, sich wiederholender Zeugenaussage und einem technisch/holographisch erschwindelten Lebens nach dem Tod.
 

Auf die alten Geschichten lässt sich der Film aber bis auf eine Ausnahme nicht ein, sondern die Fragen und die Suche führen weiter, bis wir jenseits des Gewohnten auf Schätze stossen, die vielleicht Glieder einer Kette für unser weiteres Leben, und das der nächsten Generationen, darstellen könnten.
 

 

Die Ausnahme ist Josef Lender, ein frommer ungarischer Mann, der seine Gefährten beim Gang in die Gaskammer beobachtete. Er muss diese Geschichte im Film erzählen, weil sie für alle anderen Verbrechen steht und weil er sie noch nie vor einer Kamera erzählen konnte (»Spielberg hat mich vergessen.«)
 

Die Geschichte beginnt mit meiner Mutter, die bis zu meinem 50. Lebensjahr nie von ihren Kriegserfahrungen sprach. Jetzt ist es zu spat, sie zu fragen, was sie mir daraus mitgeben wollte. Und vorher wollte ich es nicht so genau wissen.
 

Von Wien geht es nach New York, wo sich die Nachkriegsindentität vieler leicht verflüchtigte, und für mich nach gescheiterter Frommheit eine Chance auftaucht durch neue, radikale Musik mein jüdisches Dasein weiterhin zu beflügeln.
 

In New York findet sich der Wiener Walter Feiden, mit seinem Charm und eindringlichem Warnen vor dem Weltuntergang aus seiner Kriegsfalle auskommen kann. Und Stella Levi, die weitgereiste Italienerin aus Rhodos, die in Auschwitz ihren Mithäftlngen—vielleicht auch meiner Mutter—zeigte, dass es auch Juden gab, die nicht der Jiddischen Sprache mächtig waren.
 

 

Zu viert bewegen wir uns mit Ünterstützung einiger erfahrener Selbstdarsteller durch den Film, und treffen dabei auf späte Trauer, auf Vergessen aber nie Verzeihen, auf fehlgerichtete Feindschaft und auf mögliche Geschichtskontinuität—nicht nur zwischen einer Verfolgung zur anderen. Meine Mutter bekommt endlich den Garten, den sie sich immer wünschte. Walter trifft beim Riesenrad auf junge Wiener und schwimmt immer noch beim Heurigen in seinem Element. Stella bittet uns an ihren Tisch, wo sie Leidensgeschichten mit traditionellen Speisen in ein neues Ritual verwandelt.
Dies alles ist eingebettet in einen musikalischen Strom der aus nostalgischen und frommen Quellen in einen Ozean, der freien, improvisatorsichen Erneuerung. Zum Schluss antwortet die Bluesgitarre von Marc RIbot auf den erlösenden Chor von Gustav Mahler.